Als Passagier im Segelflugzeug

Es ist schon fürchterlich lange her, man schrieb das Jahr 1973 und ein junger Leutnant, gerade 24 Jahre alt, sah in Bückeburg dem Ende seiner fliegerischen Ausbildung entgegen und wartete darauf, wo seine Karriere nun ihren Lauf nehmen sollte.

Und so erfuhr er dann eines Tages, wo ihn die Zukunft hinbringen sollte - nach NIEDERSTETTEN. Er nahm seinen Atlas und suchte. Und nach einer Weile fand er dann den Ort und sich damit ab, dass er wohl bei den personalbearbeitenden Stellen nicht sehr beliebt sein konnte.

Er packte seine "sieben Sachen", fuhr einmal quer durch Deutschland und meldete sich bei seiner neuen Einheit und bei seinem neuen "Spieß". Der Name ist ihm noch heute in Erinnerung: Hauptfeldwebel Mebs.

Schnell lebte er sich ein, fand seine neue Heimat zunehmend sympathischer und verbrachte, da noch ungebunden, so manches Wochenende im Kasino. Und da fiel ihm auf, dass samstags und sonntags reges Treiben oben auf der Graspiste einsetzte - böse Menschen behaupteten, mehr Aktivität, als unter der Woche - aber die konnten das sicher nicht richtig beurteilen.

Und so wanderte er, von einer inneren Unruhe getrieben, hinüber zu den seltsamen Gestalten mit den komischen Sonnenschutzhüten, die an einem langen Strick kleine weiße Flugzeuge in den Himmel zogen.

Auch seinen Spieß fand er dort, und nun nahm das Schicksal seinen Lauf. Ob er denn nicht Lust hätte, mal mitzu.....

Ein innerer Kampf zwischen Neugierde und "Schiß" tobte in ihm. Man muß das verstehen, er hatte so etwa 250 Hubschrauberstunden, "Flächenerfahrung" gleich Null - und dann noch ohne Motor... !! Aber so ein alter Spieß kennt seine Papenheimer - und somit wurde dem jungen Leutnant ein Fallschirm angelegt und er dann von kräftigen Helfern in einem dieser weißen Vögel auf dem Platz vor dem Karl Mebs festgeschnallt - und dann, ja, dann ging‘s los. Nicht, wie er es gewohnt war, erstmal sanft senkrecht vom Boden weg, nein - mit einem Satz riß sich das Sperrholz nach kurzem Rumpeln von der Erde los, stellte sich senkrecht in den Himmel und katapultierte ihn und den Rest seines Mutes in die Unendlichkeit. Und noch ehe er mit seinem Verstand nachfolgen konnte, tat es einen Schlag und er war überzeugt, das ist das Ende - wir stürzen ab. Dabei fühlte er sich dazu noch viel zu jung. (Später erklärte man ihm übrigens, das sei das Ausklinken des Windenseiles gewesen).

So etwa mußte sich die Erbse fühlen, wenn sie von der Lausbubenschleuder verschossen wird.

Und dann war schlagartig Ruhe, nur leises Rauschen. Aber es war nicht ‘das Ende‘ - es war nur fürchterlich, keinerlei Motorengeräusch, kein vertrautes Brummen eines Triebwerkes. Das Vario vor seiner Nase stand auf Sinken - immer nur abwärts. Und nirgends ein Pitch, um ein bißchen Steigen zu ziehen. Das konnte nicht gut gehen. Aber was sollte man nach einem solchen Anfang schon erwarten. Das einzige, was ihm völlig unerklärlich war, war, dass der hinter ihm Sitzende keinerlei Anzeichen von Panik erkennen ließ. Und der junge Leutnant machte sich heftig Gedanken, dass er ja auch noch nie mit einem Fallschirm abgesprungen war, und er war sich nicht sicher, welche Art der Bodenberührung ihm die größeren Überlebenschancen bot.

Es reichte nur zu einer großen Platzrunde, die ihm jedoch wie eine Ewigkeit vorkam. Dann drehte Karl auf den Endteil ein... und raste mit einer abenteuerlichen Geschwindigkeit dem Erdboden entgegen. "Ist das nicht etwas zu schnell", wollte er noch ausrufen, da kam schon der Aufschlag. Das ungemähte Gras auf der "Lane" war länger als der Segelflieger hoch war und die Margeriten zogen rechts und links über seinem Kopf hinweg. Nach vorne sah er durch die vom Angstschweiß leicht angelaufene Scheibe nur grüne Hölle. Es krachte und vibrierte, klatschte und rauschte, rumpelte und... dann stand er.

Er bedankte sich, äußerte höflich, dass er es "ganz interessant" gefunden habe und schwor, sich nie, nie, nie wieder auf so etwas Verrücktes einzulassen.

So ganz konsequent ist er da allerdings nicht geblieben.

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