Nordlicht über "ARCTIC EXPRESS 94"

Niederstettener Heeresflieger üben mit der AMF-Brigade in Nordnorwegen

Bardufoss/Norwegen.   Grünlich schimmernd, manchmal mit roten Rändern gesäumt, geistert das Nordlicht über dem Lager. Es ist ein hochgelegenes Gebirgstal zwischen Narvik und Tromsoe, weit oben in Nordnorwegen, in dem die Niederstettener Heeresflieger während der Übung "ARCTIC EXPRESS 94" für zwei Wochen ihre Zelte aufgeschlagen haben. Mit 8 Hubschraubem unterstützen sie die eingesetzten Truppenteile der sogenannten NATO-Feuerwehr.

Steil steigen die Hänge rechts und links an. Gleich hinter der niedrig gelegenen Baumgrenze leuchtet der Schnee im flackernden Schein des Nordlichtes. Noch halten sich die Temperaturen in Grenzen, minus 10 Grad Celsius zeigt trotz sternenklarem Himmel das Außenthermometer.

Während im Gefechtsstand die fliegerischen Einsätze für den nächsten Tag über den Computer einlaufen, entspannt man sich im Küchenzelt ein wenig vom vergangenen Tag. Eine Runde Kartenspiel und, wenn kein Nachtflug geplant ist, ein kühles Bier vom Marketender oder ein heißer Tee schaffen eine den Umständen angemessene angenehme Atmosphäre. Heute Abend sind Engländer und Italiener bei uns zu Gast. Erfahrungen über Fliegen im Hochgebirge werden ausgetauscht - Fachsimpelei.

Der OvG (diensthabender Gefechtsstandoffizier) ruft an und gibt die ersten Einsätze für den kommenden Tag bekannt. Um 4.00 Uhr Start des ersten Hubschraubers zur Erkundung für den nachfolgenden Schwarmeinsatz. Später muss noch ein Beobachtungsposten der Artillerie "nach vorne" geflogen und ein Gebirgsjägerzug der Italiener - auf einem abgelegenen Hochplateau eingesetzt - mit Lebensmitteln und Munition versorgt werden. Andere Einsätze werden kurzfristig folgen.

Schon früh liegt alles in den warmen, kanadischen Schlafsäcken, die Fliegerei ist anstrengend, die Bodenteile und die Technik haben Tag und Nacht zu tun, um die Hubschrauber einsatzklar zu halten. Die Doppelstreife der Wache umrundet fröstelnd die Zelte, Fahrzeuge und Hubschrauber.

3 Uhr morgens: die Wache kommt einer unangenehmen Aufgabe nach, sie muss das Schnarchen in den Schlafsäcken unterbrechen. "Aufstehen" ruft man in die Zelte derjenigen, die "raus" müssen und überhört am besten die nicht gerade schmeichelhaften Kommentare, die darauf antworten.

Um 3.45 steht der Schwarmführer mit seiner Besatzung im gemeinsamen deutsch/englischen Gefechtstand, erhält dort eine Einweisung in die Lage, seinen Auftrag, Frequenzen, Decknamen, eigene Luftunterstützung, FLA-Stellungen, Überflugverbote, die Wettervorhersage und noch einiges mehr. Er rechnet kurz durch, wie lange er zur Erkundung brauchen wird und bestellt dann für 4.30 Uhr die restlichen Flugzeugführer seines Schwarmes zum "Briefing", zur Befehlsausgabe.

Als diese dann kurz darauf im Küchenzelt zum Frühstück erscheinen, hören sie gerade noch, wie er Koch etwas murmelt wie: "Verdammt, geht das denn jetzt jeden Tag so früh los?" Sie bekommen trotzdem ihre Tasse dampfenden heissen Kaffee.

In der langen Phase der Dämmerung (die Sonne steht tagsüber in einem Winkel von nur 18 Grad über dem Horizont), tastet sich der Schwarmführer an den beabsichtigten Absetzplatz heran. Die Täler und Fjorde sind noch dunkel, fast schwarz, die ersten Gipfel jedoch bekommen von der aufgehenden Sonne eine glutrote Haube. Trotz des ernsten Hintergrundes ihres Auftrages macht es den Piloten auch Spass, jetzt dort hinauf zu fliegen. Zögernd beginnt eine strahlend blauer Tag.

Ein geeigneter Landeplatz ist bald gefunden, nahe genug, damit die später dort abgesetzten Soldaten nicht zu weite Strecken im unwegsamen Gelände zurücklegen müssen, gross genug, um allen sechs Hubschraubern nachher Platz zu bieten und außerdem so gelegen, dass ein gedeckter, möglichst unbemerkter An- und Abflug gewählt werden kann. Und schließlich sollte auch nicht zu viel pulveriger Neuschnee liegen, sonst macht der durch die Rotoren aufgewirbelte Schnee die Piloten völlig blind und die Landung würde zum unkalkulierbaren Risiko.

Alle diese Erkenntnisse werden zusammen mit zusätzlichen Informationen und den letzten über Funk und Telefon heim Gefechtsstand eingetroffenen Änderungen pünktlich um 4.30, Uhr an die Piloten des Schwarmes weitergegeben. Um 4.45 Uhr laufen die Rotoren und 15 Minuten später, genau wie geplant, landen die Hubschrauber - vier deutsche und zwei britische - als geschlossener Verband auf einer kleinen Schneefläche.

Niederländische Soldaten, in weissen Schneetarnanzügen vermummt, beladen mit Waffen, Schneeschuhen und Munition brauchen genau 35 Sekunden zum Einsteigen, dann hebt der erste Helikopter wieder ab und nimmt Kurs auf den erkundeten Landeplatz. Die anderen folgen in kurzen Abständen.

Höher und höher geht es hinauf, die Schattenseite des kleinen Gebirgstales als Deckung ausnutzend. Funksprüche stören beinahe beim Anblick der majestätischen und unberührten Landschaft ringsum. Drei Elche unten auf einem zugefrorenen See - man sieht sie häufig hier oben - heben verwundert die Köpfe.

Der letzte Hubschrauber meldet kurz, dass er am Aufnahmepunkt gestartet ist, der gesamte Schwarm ist beladen und in der Luft. Der Schwarmführer gibt die Startzeit über Funk an Headquarter weter, danach versucht er, eine in der Nähe Iiegende Einheit von der geplanten Luftlandung zu informieren. Nicht alle Beteiligten sind der englischen Sprache gleich gut mächtig, manchmal kann die ganze "Funkerei" schon zum Problem werden.

Eine Viertelstunde später ist alles gelaufen - die sechs Maschinen sind wieder auf dem Weg zu ihren vom Schnee freigeschippten Landeplätzen, eine erfolgreiche Luftlandeoperation ist ohne besondere Zwischenfälle beendet. An ein zweites Fruehstück denkt der eine, an noch ein Stündchen Schlaf der andere.

Als der Schwarmführer jedoch nach der Landung dem Gefechtsstand die auftragsgemäße Durchführung seines Einsatzes meldet, muss er gleich wieder los: Ein neuer Auftrag wartet. Aber auch die Piloten der anderen Maschinen werden keine lange Ruhepause haben.

Hubschrauber sind im Gebirge die schnellste, oft sogar die einzige Möglichkeit, hochgelegene Stellungen, Beobachtungsposten, Spähtrupps, und leider auch Verletzte, zu erreichen. Eine notwendige, umfangreiche und von allen an der Übung beteiligten Nationen immer wieder anerkannte Leistung der kleinen Einheit aus Niederstetten mit ihren Hubschraubern vom Typ BELL UH-1D.


Autor: Bandemir (für Fränkische Nachrichten)


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