Der PLAYBOY-Reporter Ulf Biedermann besuchte 1986 (AMF-Übung ANCHOR EXPRESS) die Staffel in NORDNORWEGEN.
Darüber schrieb er nachstehenden Artikel, der jedoch aus redaktionellen Gründen leider nie erschienen ist.

Das Thermometer hängt im Keller, minus 35 Grad, dazu ein beißender, frostiger Wind und eine total vergiftete Stimmung. Ich koche! Mit der schriftlichen Zusage, mir während des Natomanövers "Anchor Express 86" einen Aufenthalt bieten zu können, "der sowohl sicherheitspolitische als auch geopolitische Aspekte und "Aufhänger" in Fülle liefern wird", hatte mich der Presseoffizier der 1. Luftlandedivision nach Nordnorwegen gelockt. Kaum angekommen, auf Gedeih und Verderben von seinem Geschick und seinen Beziehungen abhängig, entpuppt sich der Major als Schuß in den Ofen.

Seit 48 Stunden hocke ich dumm herum und diene als Augenzeuge für übertriebene Wiedersehensszenen, die er mit alten Kampfgefährten vergangener Manöver zelebriert. Draußen ersäuft die Welt im Schnee und ich hocke, zorngeladen an den Bolleröfen irgendwelcher Etappenhengste, die von zerbrochenen Asbach-Flaschen und auf wundersame Weise verschwundener Marketenderware zu berichten haben. Die Stimmung ist katastrophal und brandgefährlich. Noch ein dummes Wort, eine Einmischung in meine Arbeit und ich werde handgreiflich. Am Abend des zweiten Tages ist das Maß endgültig voll.

Ein norwegischer Verbindungsoffizier bietet mir an, mit einem U-Boot auf Tauchstation zu gehen. Mein Frust ist offensichtlich unverkennbar und hat sich längst herumgesprochen. Doch bevor ich meine spontane Zusage über die Zunge bekomme, ist ER schon wieder schneller. Mit dem Hinweis, daß wohl erst mein security-check vorliegen müsse und die Versicherungsfrage geklärt sein sollte, ist die Idee untergegangen. Denn prompt wird der bis dato unkomplizierte Marine-Offizier nachdenklich, ob seine unpreussische Vorgehensweise in der deutschen Presse nicht eher negativ dargestellt wird und zieht sich zu eingehenderen Beratungen zurück, die bis zum Manöverende zu keinem konkreten Ergebnis mehr kommen.

Dafür platzt mir der Kragen und ich rede schonungslos Klartext. Ich verbiete mir jede weitere Behinderung bei dem Versuch, aus dieser Stärkedemonstration der Nato in Nordnorwegen eine Geschichte mitzubringen, die Männern Spaß macht und drohe andernfalls mit meiner Abreise. Es gibt schließlich Lustigeres, als sich in dieser Kälte den Arsch abzufrieren, mit dem Nachschub Belanglosigkeiten auszutauschen und sich am Abend in der hoteleigenen Bauerndisko mit alkoholarmem Bier, das Glas für zehn Mark, zuzuschütten.

Unser Disput hat reinigende Wirkung am nächsten Tag. Der Planet Sonne strahlt am blitzblanken, blauen Himmel und ER macht plötzlich konstruktive Vorschläge. Eine alte Weisheit bestätigt sich, "du mußt nur reden mit den Leuten!" Aus wohlunterrichteten Kreisen kommt das Gerücht, daß zwei der Schlüsselfiguren aus dem Falkland-Krieg unter den britischen Truppen seien. Der Mann, der die Landeoperation ausgetüfftelt hat, er war als Privatperson in den Inseln gesegelt und der britische Offizier, der die Kapitulationserklärung mit entgegennahm. Daß ich die beiden trotzdem nicht zu Gesicht bekam, will ich niemandem anlasten, da mögen höhere Kräfte im Spiel gewesen sein.
Als zutreffend erweist sich die Information, daß die US-Marines zu einem Gespräch bereit sind. Die vier Stunden Fahrt von Bardufoss, rund 100 km südlich von Tromsö, wird zu einem Erlebnis der besonderen Art. Am Steuer eines allradgetriebenen Mercedes-Kombi sitzt ein norwegischer Kleinstdienstgrad, Typ Spargeltarzan, und fährt einen Reifen, daß es mir und dem amerikanischen Presseoffizier den Dampf aus allen Knopflöchern treibt.

Das Camp der Marines ist typisch amerikanisch. Viel Comfort, lässiger Dienstbetrieb, perfekte, sowohl schneidig, als auch zweckdienliche Uniformen und über allem ein Hauch von Kaffee und fried chicken.

Die beiden silbernen Adler mit den Zeus-Blitzen in den Krallen weisen Harry W. Jenkins jr. als "chicken-cornell" aus, als echten Oberst, im Gegensatz zum niederrangigeren Oberstleutnant, der auch cornell genannt wird. "Hühner-Harry" wie ich ihn heimlich taufe, ist endlich ein ganzer Kerl. Milimeterkurz geschorenes Haar, wie im Film, markiges Gesicht, grüner Tarnanzug, Springerstiefel, wahnsinnig lässig, aber wenn er die Stimme erhebt ist bei den Untergebenen action angesagt. "Wir, das US-Marine-Corps, sind eine Elite-Einheit!", sagt er mit deutlichem Stolz in der sonoren Stimme. "Als hoch ausgebildete, amphibische Truppe sind wir überall die ersten, die im Feuer stehen, wenn wir von See anlanden. Deshalb können wir nur die besten, höchstausgebildeten Männer gebrauchen, die dem Ruf der Armee folgen!" Und mit einem kurzen Blick über die zum Essensempfang angetretene Truppe fügt er mit noch mehr Stolz hinzu "und die Jungs da draußen sind die besten, die ich in meinen 26 Dienstjahren gesehen habe. "Mitte der 70er Jahre habe man endlich angefangen nach mehr Qualität bei den Freiwilligen zu suchen, um den Standart der Truppe zu heben. "90 % meiner Jungs haben den Highschool-Abschluß, sind für Einsätze auf der ganzen Welt gedrillt und packen jede, selbst unmögliche Jobs." Der Harry strotzt vor Selbstvertrauen, erwischt mich bei diesem Gedanken und setzt unaufgefordert noch einen oben drauf. "Vietnam ist vergessen. Die Truppe ist wieder stark. Es gibt keine Disziplinar-Probleme und einen Großteil dieser positiven Entwicklung verdanken wir Präsident Reagan". Ronny wird's freuen.

Die AMF, zu deutsch Allied Command Europe Mobile Force, wird gerne als Nato-Feuerwehr bezeichnet, was völlig falsch ist. Denn die Feuerwehr kommt in aller Regel erst, wenn es brennt. Dies zu verhindern ist das erklärte Ziel dieser alliierten, schnellen Eingreiftruppe. Der Auftrag heißt nichts anderes, als im Vorfeld verhärteter Standpunkte, die möglicherweise zu Agressionen führen können, deutlich Flagge, Zähne und technische Ausrüstung zu zeigen. Dieses demonstrative Muskelspiel soll den potentiellen Agressor vor unüberlegten Handlungen warnen und gleichzeitig der betroffenen Zivilbevölkerung innerhalb des Bündnisses Einsatzbereitschaft und Einsatzwillen aller Verbündeten demonstrieren.
"Anchor Express 86" kam dabei eine besondere Rolle zu. Mit diesem Manöver feierte die AMF ihr 25jähriges Jubiläum in ihrer friedensichernden Rolle. Bleibt nur zu hoffen, daß der tragische Ausgang dieser Jubiläumsveranstaltung nicht zum bösen Omen gereicht...

Knapp 5000 Soldaten aus Großbritannien, Italien, Kanada, Luxembourg, den USA und Deutschland zogen an der Seite ihrer norwegischen Gastgeber mit mehr als 1100 Fahrzeugen und 330 Flugzeugen in die Eis-und Schneewüste dieses gottverlassenen Landstrichs, nahe dem Polarkreis.
Das deutsche Kontingent stellte ein mobiles, hochtechnisiertes Feldlazarett und eine Hubschrauberstaffel der Heeresflieger. Herr Major, sie sollten der Vorsehung für deren Anwesenheit danken! Denn längst war mein Dilemma bis in die olivgrüne Zeltstadt der 1. Fliegenden Abteilung 301 aus Niederstetten vorgedrungen und der Beschluß, dem PLAYBOY helfen wir aus der Patsche, war einstimmig.

Die Nacht ist schwarz, finster wie in einem Bärenarsch. Ohne abgeblendete Taschenlampe würde man auf dem Weg zur Latrine in meterhohem Schnee ersaufen. Der knackige Frost klebt den Atem als Raureif auf den Bart. Das Atmen schmerzt, die kalte Luft pfeift peinigend in die Lungen. Die Kälte kriecht unter die Klamotten und stellt die Beinhaare auf. "Ideales Flugwetter für die BIV", grinst Einsatzstabsoffizier Major Wolf Bandemir und fahndet nach Anzeichen von Mulmigkeit. Doch mir ist alles recht, Hauptsache ich komme mit einer Story nachhause. BIV, Bildverstärker-Brille, nennt sich die modernste Variante von Siegfrieds Tarnkappe. Wahre Wunderdinge habe ich von dieser Restlicht-Verstärker-Optik gehört und doch kein Wort geglaubt. Da war von einem Test die Rede, bei der einer der Piloten in einen sorgfältig abgedichteten-Keller gesteckt wurde und prompt nach drei Schritten in der absoluten Dunkelheit auf der Schnauze lag. Anschließend habe man ihm die BIV aufgesetzt und eine Armbanduhr mit einem Leuchtzifferblatt umgebunden. Mit der wie eine Taschenlampe nach vorne gehaltenen Uhr habe der gleiche Mann die Etiketten auf einer Weinflasche lesen können. Anglerlatein und Seemannsgarn scheinen gegen Helikopter-Stories in die glaubwürdige Kategorie abzurutschen. Das Ding sieht aus wie ein Opernglas, wiegt 1150 Gramm, inclusive der beiden 1,5 Volt Babyzellen, die für eine Betriebszeit von 15 Stunden ausreichen, und wird am Helm montiert. Um Nachts zum Sehenden zu werden, reichen 1 Millilux. Nur zum Vergleich, Tageslicht hat durchschnittlich 30 000 Lux!

Auf geht's!

Ich sitze auf dem Bordmixer-Sitz hinter den beiden Piloten.
Der Startplatz ist so finster wie die ganze übrige trostlose Landschaft. Das Instrumentenboard bleibt abgedunkelt. Dafür ist neben dem Mikrophon für den Sprechfunk ein Lippenschalter montiert, mit dem man einen Mini-Licht-Spot ein- und ausschalten kann, um die zum Überleben notwendigen Instrumente abzulesen. Der totale Kamikaze-Einsatz ist unser Flug dennoch nicht. Die gesamte Flugstrecke muß am Tag erkundet werden und in autogenem Training so verinnerlicht sein, daß unser Erzfeind, die schwer auszumachenden Hochspannungsleitungen, erahnt werden können, sehen kann man sie mit BIVII noch nicht. Erst die dritte Generation dieser voyeuristischen Wunschausrüstung soll und wird das möglich machen.Doch keine voreiligen Schlüsse, mit diesem Opernglas geht es gleich auf Tiefflug, 10 Fuß über dem Grund! Wie abgesprochen, fliege ich die ersten Minuten "blind". Mit 160 km/h schrubbt unser Teppichklopfer in die Nacht und mir wird eigenartig. Es ist absolut nichts zu erkennen. Einzige Orientierung ist die eintönige weiße Schneefläche vor uns. Meine Orientierung ist gleich null. Mit dieser Hilflosigkeit ist es vorbei, sobald das kleine Fernglas heruntergeklappt ist. Ich sehe! Ein grünschwarzes Fernsehbild löst den finsteren Bärenarsch in klar erkennbare Details auf. Schwarze Flecken entpuppen sich als Wald, dessen einzelne Bäume ich erkenne. Häuser, Straßen, Eisenbahnschienen, Flüsse, alle markanten Punkte für die Orientierung im Gelände sind zweifelsfrei und deutlich zu erkennen. Nur die verdammten Drähte nicht. Affengeil und bärenscharf zusammengenommen sind zu schwach um auszudrücken, welches überlegene Gefühl von einem Besitz ergreift, sobald man mit dieser "Wunderwaffe" durch die Nacht klopft. Mit dem Ding vor der Nase durch den Bois de Bologne in Paris marschieren, oder den Bullen auf einem Motorrad davonfahren, du brauchst ja nur in den nächst besten Wald abbiegen... Ich glaub ich hab's. Mit dieser Optik gelingt, was jedem Weib verwehrt bleiben wird, den G-Point des Mannes zu treffen. Genauso und nichts darunter. "Wenn die Nacht beleuchtet wäre", reißt mich der Pilot aus meinen philosophischen Grundlagenforschungen, "würde man ohne Brille bedeutend mehr sehen."



Hubschrauberpiloten sind selbstbewußt. "Einen Miefquirl, wie er in fast jeder Kneipe unter der Decke hängt, zum Fliegen zu bringen, ist die komplizierteste Fliegerei", bringt Hauptmann Uwe Rosen den ewigen Streit zwischen Heeresfliegerei und Luftwaffe auf eine Kurzformel. Beim Jet-Piloten gäbe es zugegebenermaßen eine höhere Belastungsdichte in kürzerer Zeit, aber dafür könnten sie unter den rustikalen, primitiven Umständen, gemeint ist die "Camping-Nummer" in der freien, frischen Natur, nicht überleben.
Rosen ist Schwarmführer, hat 1500 Flugstunden auf dem Buckel und gilt als "Auslaufmodell", da seine Dienstzeit als Soldat auf Zeit im nächsten Jahr endet. Bis auf 150 Stunden hat er seine ganze Erfahrung auf der Bell UH lD abgeritten. Der Vogel ist von der Nase bis zum Heckrotor 12,70 m lang, der Propeller hat einen Durchmesser von 14,63 m, wiegt vollgetankt 3,3 t, kann 1 t außen, oder innen zuladen, hat drei Mann Besatzung und darf weitere neuen Soldaten plus Ausrüstung transportieren, die Reisegeschwindigkeit beträgt 90 Knoten und die normale Tankfüllung reicht für eine Flugzeit von zweieinhalb Stunden. Nüchterne Zahlen, die wenig aussagen über die Faszination des Hubschrauberfliegens.

Der Manöververlauf läßt einen einstündigen sightseeing-flight zu. Offiziell verschafft sich die deutsche Presse einen Überblick über die eingerichteten Stellungen der verschiedenen Einheiten. Inoffiziell habe ich nur noch Augen für die bizarre, majestätische Schönheit der norwegischen Landschaft. Flach am Boden sieht alles gleich und grausam häßlich aus. Doch aus der Ikarus-Perspektive gewinnt dieser Ausschnitt unseres Planeten mächtig.

Frontal fliegen wir ein mächtiges Bergmassiv an, klettern an der Felswand empor, bis über dem Gipfel die Nase unserer Hummel geradewegs in den strahlend blauen Himmel zeigt. Und dann drückt Rosen den Stick nach vorne. Angriffslustig stürzt sich unser Teppichklopfer den Bergrücken hinunter. Unter uns ein Fjord, im Gegenlicht gleißend wie pures Silber. Ein paar Fuß über der Wasseroberfläche steuern wir den nächsten Bergrücken dieses unbezwingbaren, stolzen und mächtigen Gebirges an. Kaum haben wir den Kamm dieses Massivs überflogen, liegt ein paar 1000 Fuß tiefer ein weiterer Fjord, wie eine tiefschwarze Zunge, die an einem Sahneberg schleckt. Ein unbeschreiblich euphorisches Gefühl stellt sich ein, ein Gefühl, das plötzlich ohnmächtige Wut darüber aufsteigen läßt, wie hemmungs-, verantwortungs- und gewissenlos wir dieser hinreißend schönen Natur den Garaus machen. Rosen schraubt die Maschine höher, die Totale wird immer beeindruckender und ein ganz bestimmtes Gefühl ebenso. Zunächst habe ich die Informationen meines Dickdarms ignoriert, schließlich ist jeder Mitteleuropäer in der Lage solch primitive Bedürfnisse im falschen Moment mit der entsprechenden Gelassenheit zu unterdrücken. Als der Höhenmesser 5500 Fuß anzeigt, sammeln sich die ersten Schweißtropfen auf meiner Stirn. Fieberhaft suche ich nach einem Ausweg. Aber auf der guten Bell, gibt's kein WC, nicht mal so einen primitiven Blechschieber wie an Bord der Transall. Das geht in die Hose, soviel steht fest. Nach einer raschen Abwägung entschließe ich mich, Farbe zu bekennen. Die beiden Piloten brechen in schallendes Gelächter aus. Für mein Problem gibt es eine physikalische Erklärung. Bekanntlich nimmt der atmosphärische Druck mit steigender Höhe ab. Mein Körperinnendruck, und nicht nur meiner, verspürt weniger Widerstand und mein Astralleib nebst Zubehör beginnt sich zu weiten. Die Erklärung alleine hilft wenig, denn mich zerreißt es fast. In einer sturzflugähnlichen Rettungsaktion wird schließlich das Ärgste verhindert und normale Druckverhältnisse hergestellt, die mir ein paar vollgeschissene Thermohosen ersparen.



Der Alltag in der Militärfliegerei sieht anders aus. Rosen und sein Schwarm müssen Truppen verlegen. Die Engländer haben das Sagen und lassen ihrer Arroganz freien Lauf. Den Jungs ist der Falkland-Feldzug ganz offensichtlich in den Kopf gestiegen. Als einziger europäischer Natopartner mit brandaktueller Fronterfahrung glauben sie, Militär-Stategie und -Taktik mit dem Löffel gefressen zu haben. So weisen sie uns eine Funkfrequenz zu, die wir gar nicht an Bord haben, fangen aus unerklärlichen Gründen satte zwei Stunden später erst mit der Truppenverlegung an und wollen den Deutschen Nachtflüge auf's Auge drücken, damit der angestrebte Erfolg sichergestellt ist. Mit Genugtuung verfolge ich, wie Hauptmann Rosen mit dem Schnösel vom Bodenpersonal Tacheles redet und die Nachtfliegerei kategorisch ablehnt. Stressig genug wird es ohnehin. Trotz Zeitplan kommt es über der Aufnahme-Area zu einem Mordsgedrängel. Bis zu vier Maschinen lauern, flach über dem Boden, bis sie die kanadischen Soldaten aufnehmen können. Das Wetter ist eine Zumutung. Schneeregen, ein böiger Wind, die Jungs liegen brusttief im Schnee, mit Knarre, Rucksack und MG. Ihre Gesichter sind gezeichnet von Streß, Erschöpfung, dem Wahnsinnslärm der Helikopter und der Angst, beim Aufrichten in die Reichweite des Rotors zu kommen. Mit ausdruckslosen, weit aufgerissenen Augen starren sie uns an, als die Kufen unserer Maschine nur Zentimeter vor ihren Nasen in der nassen Schneepampe aufsetzen. Mit letzter, wilder Kraft zerren sie einen zentnerschweren Akja in die Maschine, werfen die persönliche Ausrüstung hinterher, hocken sich stoisch auf die spartanischen Sitze und bevor die Schiebetüren geschlossen sind, steigt die Maschine bereits, nimmt die Schnauze nach unten und donnert zum Absetzpunkt, ein paar Kilometer tiefer in der Wildnis. Die Zeit drängt, eine Stunde nach Sonnenuntergang muß der Schwarm wieder im Hort sein. Die Hetzerei springt auf die Fußtruppen über. Beim Aufsetzen hat einer plötzlich das ganze Notausstiegsfenster in der Hand, das er in der Hektik mit dem Türgriff verwechselt hat. Bis der Bordmixer den Schaden behoben hat, sind wir längst unterwegs, um die letzte Fuhre aufzuladen. Vier Stunden war ich Zeuge, wieviel fliegerisches Können, Erfahrung und Belastbarkeit ein Hubschrauberpilot mitbringen muß, um dem Alltag gewachsen zu sein. Eine Qualifikation, die nahezu alle männlichen Tugenden vereint und fordert. Ein Job der Männern Spaß macht.


Nachtrag: Auf dem Rückflug von diesem Einsatz überflogen wir eine frisch abgegangene Lawine. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland las ich, daß 18 junge norwegische Wehrpflichtige von dieser Lawine erschlagen wurden und das Nato-Manöver "Anchor Express 66" abgebrochen wurde.

Autor: Ulf Biedermann (PLAYBOY)

zurück zum Seitenanfang
oder
zurück zur Seite 1